Kulturelle und religiöse Diversität kann man hören: Aus einem Fenster dringt türkische Musik, aus einem anderen Schlager, in der Kirche übt jemand auf der Orgel. Wie klingt es, wenn man verschiedene musikalische Traditionen zusammenbringt? Und zugleich das Zusammenleben der Menschen im Stadtteil fördert? Worauf kommt es dabei an? Das „Stadtteilkantorat“ in Mümmelmannsberg zeigt, wie es geht.
Pastor Stephan Thieme hat gemeinsam mit dem Komponisten Bernhard König das Projekt vor einigen Jahren begonnen: „Musik ist kulturell geprägt und bildet Verschiedenheit ab. Zugleich schafft Musizieren schafft Gemeinschaft – sofern sich jede und jeder willkommen fühlt. Auch eine Kirche kann dafür der Ort sein, wenn der Rahmen offen genug gestaltet ist.“
Musik wirkt gegen Vorurteile
In Mümmelmannsberg leben Menschen mit familiären Wurzeln in vielen verschiedenen Ländern. Das Zusammenleben in Diversität ist für sie Alltag. Aber manchmal ist es auch eher ein Nebeneinander. Was stärkt das Miteinander? Musik kann gegen Abschottung wirken, gemeinsames Musizieren oder Singen verbindet. Zumal, wenn es sich nicht um eine einmalige Aktion handelt, sondern ein Projekt auf Dauer im Stadtteil verankert wird. Musik kann Spannung aushalten, ja, braucht sie sogar, findet Stephan Thieme: „Manche Dissonanz ist im Dialog schwer erträglich, aber in der Musik gehört sie dazu. Wir können in der Musik sogar die Schönheit der Dissonanz empfinden, der Kontext ist dafür entscheidend.“
Entstanden ist die Idee für das Stadtteilkantorat aus dem Trimum-Projekt, einem Konzept von Bernhard König. Berufsmusikerinnen und -musiker, die verschiedenen Religionen angehören, musizieren dabei gemeinsam. Sie führen ihre geistlichen Musiktraditionen zusammen, ohne sie jedoch zu verschmelzen. Die Vielfalt der Traditionen bleibt erkennbar.
Babys werden mit Melodie begrüßt
Das Stadtteilkantorat in Mümmelmannsberg initiiert Chöre für Menschen aus vielen Kulturen. Kinder in Kitas und Schulen, Geflüchtete und Senioren, Kirchenmitglieder und Nicht-Religiöse singen gemeinsam. Und neugeborene Babys begrüßt der Stadtteil mit einer eigens komponierten Willkommensmelodie, die aus einem Lautsprecher an einem Hochhaus ertönt.
„Musik schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl“, beobachtet Pastor Thieme: „sie ist eine Kommunikationsmöglichkeit, transportiert Gefühle, bringt Menschen dazu, sich auszudrücken, ermöglicht ihnen Teilhabe.“ Dazu brauche es Glaubens- und Kultursensibilität und umgekehrt bereicherten Musik und Singen die Glaubens- und Kultursensibilität um eine nicht-sprachliche, emotionale und sinnliche Ebene. „Wie wir mit Vielfalt umgehen, Inklusion fördern, auch unser kulturelles Leben muss das viel stärker berücksichtigen und sich weiterentwickeln“, so Thieme.
Das Stadtteilkantorat wurde 2019 mit dem Preis „The power of the Arts“ ausgezeichnet. Es wurde u.a. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Demokratie Leben, Regionalprojekt Mümmel Leben) und von der Bürgerstiftung Hamburg gefördert. 2020 wird es vom Bezirk Hamburg-Mitte gefördert.