In der Arbeit mit Jugendlichen ist in den letzten Jahren Religiosität als Thema wichtiger geworden. Jugendliche mit ihren unterschiedlichen Glaubensvorstellungen stellen Fragen, auf die zum Beispiel die Teams in den Häusern der Jugend nicht immer sofort Antworten haben. Wir sprachen mit der Diplom-Sozialpädagogin Rebecca-Marie Kühlmorgen, die den Abschnitt Kinder- und Jugendarbeit in der Familienförderung Region Elbinseln beim Bezirksamt Hamburg-Mitte leitet.
Inwiefern ist Religion ein Thema für Jugendliche?
Rebecca-Marie Kühlmorgen: In den letzten Jahren sind Religion und Glaube wieder wichtiger geworden. Sie sind aus dem privaten in den öffentlichen Raum geraten, das erleben wir auch in den Häusern der Jugend. Sie stehen vor einer neuen Herausforderung: Wie gehen wir mit dem persönlichen Glauben der Kinder und Jugendlichen in Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit um? Jugendliche sind auf der Suche nach dem eigenen Ich. Sie versuchen, sich von ihrem Elternhaus abzugrenzen und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, irgendwo dazuzugehören. Wenn sie dabei ein Haus der Jugend aufsuchen, dann haben wir die Chance, einen ersten Kontakt zu ihnen aufzubauen. Bei den Themen, die die Jugendlichen mitbringen, spielt Religion wieder eine größere Rolle. Religion und Glaube wurden Gesprächsthemen in den Einrichtungen. Deshalb sehen sich Mitarbeitende gerade in den kommunalen Kinder- und Jugendeinrichtungen in einem Spannungsfeld: Einerseits gilt es, die Neutralität der Einrichtung zu wahren, andererseits, die Persönlichkeitsentfaltung der Nutzerinnen und Nutzer zu fördern.
Wie gehen die Pädagoginnen und Pädagogen mit dieser Herausforderung um?
Rebecca-Marie Kühlmorgen: Religion und Glaube sind sehr persönliche Themen. Viele Einrichtungen trauten sich zunächst nicht daran. Der Themenbereich wurde solange ignoriert, bis man ihn nicht mehr ignorieren konnte. Zum Beispiel fragten Jugendliche, ob sie in der Einrichtung beten können. Spätestens bei einer solchen direkten Frage kann man das Thema nicht mehr ausblenden. Doch was tun? Das Beten in der Einrichtung verbieten, weil man neutral ist und keine religiöse Institution? Das Beten zulassen und in Kauf nehmen, dass es zu Konflikten mit Besucherinnen und Besuchern kommt, die eine andere oder keine Religion ausüben und sich gestört fühlen?
Wie viel Religion und Glaube passen in ein Haus der Jugend?
Rebecca-Marie Kühlmorgen: Über diese Frage sind wir in intensivem Austausch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen: Wenn man Neutralität als Verbot von Religion in unseren Einrichtungen auslegt, kommt man nicht weit. Dann erreichen wir einen Teil der Jugendlichen nicht. Auch das Thema religiöser Extremismus ist heute viel stärker präsent und besonders Jugendliche rückten ins Blickfeld der Extremistinnen und Extremisten. Deshalb behandelten die Einrichtungen das Thema Glaubens- und Kultursensibilität stärker. ‚Runde Tische‘ befassten sich damit, Netzwerke und Fortbildungen wurden ausgebaut. An einer gemeinsamen Haltung wurde und wird in den Einrichtungen noch gearbeitet. Themen wie Diskriminierung, Rassismus und die Stigmatisierung bestimmter Glaubensgemeinschaften treten stärker hervor. Glaubens- und Kultursensibilität wird deshalb auch die Häuser der Jugend weiter beschäftigen.
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